… aber der Himmel ist immer richtig! Das jedenfalls mögen sich unsere 14 Mauersegler gedacht haben, als sie am 11. April ins Flugzeug verladen und nach Fuerteventura verfrachtet wurden, während ihre Artgenossen sich bereits auf dem Rückzug nach Norden befinden. Beim Start am 12. April - High Noon! - war es dann aber einerlei: Hauptsache strahlende Sonne, blauer Himmel und wunderbar warmes Wetter!
Zu diesem siebten und letzten Flug noch im April hatten wir uns ganz bewusst entschieden. Mehr als ein Dutzend fertig geschiftete Mauersegler tobten in den Boxen, begannen das Futter zu verweigern und waren nicht mehr zu halten. In Deutschland hingegen hätte man noch bis in den Mai hinein warten müssen, ehe bei stabilem Wetter und genügend zurückgekehrten Seglern am Himmel eine Freilassung überwinterter Partienten möglich gewesen wäre. So lohnte der Flug in jedem Fall, zumal sich die Segler bei noch längerem Aufenthalt ihre neuen Federn ruiniert hätten. Und auch der Kostenfaktor, diese Anzahl von Mauerseglern noch 4 Wochen länger zu versorgen, wog die gesamte Reise locker auf.
So durften die 14 Glücklichen dann fliegen, während 68 weitere Segler in der Klinik immer noch auf die Fertigstellung ihrer Gefiedersanierung warten. Im wunderschönen Hinterland von La Oliva, mit Blick auf den erhabenen Montana de Tindaya, wurde der Traum von Freiheit endlich wahr. Abraxas aus Lüneburg, ein stattlicher Vorjähriger aus 2014, war Startflieger und legte sogleich souverän die Richtung fest: nach La Oliva! Die wilde Carlotta aus Heilbronn folgte schnurstracks nach, dann Abandou aus Buchen: klein, aber oho! Melba aus Freiburg, deren hinreißender Augenaufschlag stets über ihren beklagenswert fiesen Charakter hinwegtäuschte, sauste mit einer Geschwindigkeit von dannen, die keinen Zweifel daran ließ, wie froh sie war, uns loszuwerden. Da war Jona aus Karlsruhe freundlicher und verbindlicher, - nichtsdestotrotz aber blitzschnell verschwunden. Unser zutraulicher und von allen geliebter Pole Gwizdek, reichlichem gutem Essen sehr zugetan, ließ sich Zeit, auf der erhobenen Hand sitzend die Umgebung zu bestaunen. Hier war 3 Wochen zuvor sein Gefährte Tutus geflogen! Gwizdek hatte seitdem um ihn getrauert, und wir hatten sehr gebangt. Jetzt aber, endlich, war auch seine Stunde gekommen! Mit kraftvollen Flügelschlägen stieg Gwizdek empor und entschwand unseren Blicken. Ob er seinen Freund Tutus wiedergefunden hat …?
Der schlanke, nervöse Augustin aus Biel und sein bedächtiger Freund Tulsa aus Mannheim führten die zweite Startgruppe an. Schon im Trainingszimmer hatten sie ihre überragenden Fähigkeiten unter Beweis gestellt. Danach zwei Frankfurter: der windschnittige Tindaya, der seinen Namen einer großen Sehnsucht nach Fuerteventura inmitten des letzten schrecklichen Sommers verdankt, und sein zarter, zierlicher Freund Raniero. Meine Starthelfer und ich hüpften vor Begeisterung. Ein Segler flog schöner als der andere! Arpad "der Zigeuner" aus Mudau und Lukas "The Bull" aus Würzburg, stark und immer etwas grimmig, waren die nächsten. Eine wahre Augenweide, diese wundervollen kräftigen Jungsegler den Himmel erobern zu sehen! Nun fehlten nur noch die sanfte, heitere Mitji aus Dreieich, einstmals völlig zerstrubbelt und zerzaust, mit Federresten wie ein Reisigbesen, und ihr smarter Gefährte Phaidon aus Mannheim, der sich noch in letzter Minute ganz lässig für die Reise qualifiziert hatte. Die traumhafte Abfolge von Super-Starts wurde nochmals getoppt: Mitji wie auch Phaidon schraubten sich über uns höher und höher in den Himmel, bis sie - nurmehr winzige Pünktchen! - vor der Sonne verschwanden …
Glück und Jubel! Andrea, Pancho und ich waren uns einig: Unzweifelhaft einer der schönsten Starttage, die wir jemals erleben durften! Ausgelassen beredeten wir den Start, während wir die leeren Vogelboxen zu den Autos zurückschleppten. Diesmal, als Überraschung und stilvoller Abschluss, gab es Sekt zum Anstoßen! Den hatten wir uns verdient. Und gerade, als wir die (etwas weniger stilvollen) Pappbecher hoben, erlebten wir völlig unerwartet die allerschönste Überraschung und Belohnung: Von La Oliva her, über die Bergkuppe sauste plötzlich ein Mauersegler heran, gefolgt von einem, zwei, drei weiteren, - noch mehr, so rasch konnten wir gar nicht zählen. Da waren sie noch einmal, unsere wilden und freien Freunde, zischten windschnell und elegant über uns hinweg, - ein letztes Lebewohl!
Gefolgt von all unseren guten Wünschen und heftigem Winken flogen sie dann in Richtung Westküste davon und verschmolzen mit dem azurblauen Himmel. Der Montana de Tindaya, der schon so viele unserer Mauersegler hat in die Freiheit zurückkehren sehen, war auch dieses Mal wohlgefälliger Zeuge.
Das bewegende Erlebnis dieses letzten Startes wird uns Kraft für die schweren vor uns liegenden Monate geben. Wir befürchten Schlimmstes, und hoffen dennoch inständig das Beste für unsere Mauersegler. Auf Wiedersehen im Winter, Fuerteventura!