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Das Schiften – eine Kunst aus dem Mittelalter
Montag, 14. Januar 2013 06:00
Von: Carolin Bühler

Schift-fertige Federsätze, maßgefertigt für jeden Patienten (c) P. Stoldt

Nicht nur während der Sommermonate ist Dr. med. vet. Christiane Haupt bis spät in die Nacht in der Mauerseglerklinik zugegen, nein, auch in den vergangenen Wochen waren die Fenster der Klinikräume nach Anbruch der Dunkelheit noch lange hell erleuchtet.

Um die noch in der Klinik befindlichen, gefiedergeschädigten Mauersegler wieder in die Lage zu versetzen, ihrer Bestimmung als nimmermüde Dauerflieger gerecht zu werden, wurde Abend um Abend dem Schiften sowie dessen umfangreicher Vorbereitung gewidmet. Diese Technik zur Reparatur beschädigter Schwung- und Steuerfedern wurde bereits im Mittelalter eingesetzt, um die Flugfähigkeit der in adligem Besitz befindlichen und zur Jagd bestimmten, kostbaren Falken zu gewährleisten - so beschrieben vom Stauferkönig Friedrich II um 1240 in seinem Werk "De arte venandi cum avibus" (Von der Kunst, mit Vögeln zu jagen), das wiederum u.a. auf dem Lehrbuch "De scientia venandi per aves" des arabischen Falkners Moamin beruht.

Wenn auch nun die neben den Federn verwendeten Utensilien - Carbonstäbe und Sekundenkleber! - dem heutigen Wissensstand angepasst sind, hat sich seitdem im Verfahren des Schiftens nicht viel geändert. Das Prozedere ist auch heutzutage noch sehr aufwendig und erfordert im Umgang mit den Mauerseglern absolute Versiertheit, umfangreiches Wissen, höchste Präzision und große Erfahrung. Denn hier werden nicht nur einzelne abgebrochene Federn ersetzt wie beim Beizvogel, sondern oft genug das komplette Großgefieder, das bei den meisten unserer späten Patienten durch Fehlernährung oder andere schädliche Einflüsse schwer beschädigt wurde.

Für die bevorstehende dritte Flugverfrachtung nach Fuerteventura wurden 13 Federsätze, von gestorbenen Artgenossen gespendet, von Dr. med. vet. Christiane Haupt für die jeweiligen Empfängervögel individuell vorbereitet und in jeweils ca. zwei- bis dreistündigen OPs unter Vollnarkose implantiert. Pro Vogel bedeutet dies insgesamt einen Zeitaufwand von bis zu acht Stunden.

Das anschließende Flugtraining fertig geschifteter Vögel im Trainingszimmer der Mauerseglerklinik gestaltete sich daraufhin oftmals recht nervenaufreibend, da aus verständlichen Gründen die Beschädigung auch nur einer einzigen neuen Feder durch die Segler während ihrer anfänglich etwas holprigen Flugversuche dringend zu vermeiden ist. Wer zuvor kurz und struppig war, muss sich an lange funktionsfähige Flügel erst gewöhnen! Somit ist ein gewisses Maß an Flugtraining unumgänglich, und es ist eine unglaubliche Freude, dann zu sehen, wie ein vorher nicht flugfähiger Mauersegler plötzlich zu neuen Höhen aufsteigt und im Trainingszimmer seine Runden dreht. Dergestalt ganz besonders begeistert haben z.B. "Phoebe" aus Freiburg und "Tudor" aus Bukarest, die dank der Unterstützung unserer Flugpaten mit 10 weiteren, ebenfalls geschifteten Artgenossen am 15. Januar 2013 auf Fuerteventura in die Freiheit entlassen werden sollen.

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