- das setzt dem Ganzen die Krone auf! Bisher haben wir Segler das Monopol auf schöne weiße Kehlen gehabt, aber nun fangen unsere Menschen auch damit an, mit seltsam ausgebeulten weißen Kehlflecken herumzulaufen, und manchmal, oh Schreck, haben sie sich sogar eine blaue Kehle angezogen!! Auch von Tests wird viel geredet, - dabei sind wir es doch, die im Trainingszimmer getestet werden! Und zwar positiv (im Gegensatz zu unseren Menschen), denn wir fliegen so richtig gut!
Gestatten: Mein Name ist Casilda, meines Zeichens Alpensegler, und ich habe mehrere Monate in der Mauerseglerklinik Frankfurt verbracht. Inzwischen bin ich ja zum Glück mit einer ganzen Menge anderer Segler glücklich wieder am Himmel unterwegs. Diese komischen Menschen, keine Ahnung wie sie es machen, erst lebt man lange und gemütlich in dieser Klinik, dann packen sie einen plötzlich für Stunden in eine dunkle Box, wohlgemerkt zusammengepfercht mit etlichen anderen Artgenossen, die man durchaus nicht immer leiden kann. Beschwert man sich lautstark darüber, zischen diese Menschen hektisch herum. Dann gibt es immens viel Krach und Gerumpel und haarsträubendes Auf und Ab. Endlich wird man wieder ausgepackt, und es ist ringsherum warm und sonnig. Ich musste meinen inneren Kompass 4000 km südlich korrigieren. Und plötzlich - FLIEGEN!! Die haben schon was drauf, diese Menschen, - auch wenn ich in diesem Leben nicht mehr verstehen werde, warum sie uns nun nachahmen und sich diese künstlichen weißen Kehlen umbinden …"
Soweit, geschätzte Leser, der fiktive Report unserer Alpenseglerin Casilda, die sich nun schon seit mehreren Wochen ihres Lebens und ihrer Freiheit im Süden erfreut. In der Mauerseglerklinik nimmt, Lockdown und Corona-Beschränkungen zum Trotze, das Arbeitsleben seinen fast normalen Verlauf. Homeoffice wäre etwas schwierig mit über 70 Patienten, die rund um die Uhr betreut werden müssen. Das Home ist die Klinik. Füttern und medizinische Versorgung, Schiften und Training, Büroarbeiten, Logistik und Planung der bevorstehenden Saison füllen unsere Tage von früh bis spät. Immer noch wartet eine größere Anzahl von Mauerseglern in angeschlossenen Pflegestellen auf ihre Übernahme und Gefiedersanierung. 14 neue Patienten wurden in 2021 bereits übernommen. Stetig und beharrlich arbeiten wir uns durch unsere Listen, ein Segler nach dem anderen erhält sein neues Federkleid. Es dauert, aber wir kommen voran. Die Verzweiflung des Sommers, als jegliche Verfrachtung von "Winterseglern" gänzlich unmöglich erschien, ist Hoffnung gewichen. Denn wir haben Verfrachtungen in den Süden realisieren können, - zwar nicht im selben Umfang wie in den vergangenen Jahren, doch immerhin konnten wir bis jetzt 45 Mauersegler und 6 Alpensegler verfrachten und erfolgreich freilassen. 51 Vögel, von denen wir wegen der COVID-Beschränkungen nicht glaubten, dass wir sie würden retten können! Das macht uns sehr glücklich. Wir hoffen sehr, dass wir unsere Arbeit fortführen und noch so viele Segler wie möglich retten können, auch wenn alles sehr schwierig, aufwendig und teuer geworden ist.
Nun herrscht wieder Zuversicht in der Klinik. Das merken auch unsere Patienten und danken es uns mit gutem Appetit, Gesundheit, Durchhaltevermögen - und bemerkenswerten Leistungen im Trainingszimmer! Ein struppeliges "Ei" nach dem anderen verwandelt sich in einen schmucken windschnittigen Segler. Die nächste Reisegruppe werden wir bald zusammengestellt haben. Und dann heißt es wieder: Guten Flug und allzeit Wind unter den Flügeln!