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Zu viele Turmfalken: Wachsende Gefahr für Mauersegler und Schwalben!
Saturday, 12. September 2009 09:22
Por: Christopher Müller und Christiane Haupt

Ein Spätsommertag im September in Frankfurt. Wir starten 14 junge Mauersegler.

Alle sind lange unsere Patienten gewesen, viele sind geschiftet und fliegen mit den Federn eines toten Artgenossen. Jeden haben wir liebevoll gepflegt und betreut, um ihn gezittert, jetzt freuen wir uns, dass wir ihn seinem angestammten Element, der Luft, übergeben dürfen. Die ersten sind schon davongeschossen. Nun ist "Semai" an der Reihe – der junge Vogel hat in der Klinik wie viele andere wochenlang tobend und voller Ungeduld aufs Schiften gewartet, schließlich in einer zweistündigen nächtlichen OP 38 neue Federn erhalten, im Trainingszimmer souverän sein Flugvermögen unter Beweis gestellt, nun endlich ist es soweit!

"Semai" springt von der Hand, schießt davon, steigt rasant in den Himmel empor, der lange ersehnten Freiheit entgegen… - Da passiert es: Aus dem Nichts rast von unten ein Turmfalke heran, schnappt sich den Segler und beendet das junge Leben nach nur wenigen Sekunden in Freiheit. Unser Schreien und Händeklatschen bleibt völlig wirkungslos. Gelähmt vor Entsetzen starren wir in den leeren Himmel – "Semai" ist tot…

 

Kein Einzelfall: Immer wieder werden die Patienten der Mauerseglerklinik direkt nach dem Start Opfer von Greifvogelattacken, die den auf den ersten Flugmetern noch unsicheren Seglern ein brutales Ende bescheren.  Wie kann es dazu kommen? Ist das "natürlich" - der Fressfeind macht Beute? Wer so argumentiert, macht es sich zu leicht, denn Mauersegler zählen keineswegs zum normalen Beutespektrum des hauptsächlich Mäuse jagenden Turmfalken!

 

Zu viele Falken, zu wenig Nahrung?

Die Zahl der Falkenangriffe auf "unsere" Segler hat im Laufe der letzten Jahre drastisch zugenommen. Auch andere Pflegestellen und Privatpersonen in verschiedensten Städten berichten von ähnlichen Vorfällen und beklagen Verluste an freigelassenen Pfleglingen – bestürzende Ereignisse, die wir in früheren Jahren nicht gekannt haben. Und es gibt beileibe nicht nur Angriffe auf handaufgezogene freigelassene Mauersegler, sondern auch verschiedene Beobachtungen insbesondere von Turmfalken, die sich an Mauersegler-Nistkästen hängen und die arglosen Jungsegler herausziehen sowie von Angriffen im freien Flug, denen Mauersegler und Schwalben umso leichter zum Opfer fallen, als sie den Turmfalken bislang nicht als Feind kannten.

Das Freilassen unserer Pfleglinge ist zum Nervenkrieg und zur immerwährenden Angstpartie geworden. Es scheint, als ob sich an manchen Stellen, die öfters als Startplätze dienten, ansässige Turmfalken gezielt auf die Lauer legten. Unsere leicht erreichbaren und gut geeigneten Startplätze - in Frankfurt ohnehin rar - mussten wir in der Vergangenheit deshalb schon mehrfach aufgeben. Aus den einfachen Starts vor der Klinik wurde eine aufwendige Stadtrundfahrt, die wir uns zeitlich überhaupt nicht leisten können, weil Hunderte von Pfleglingen rund um die Uhr versorgt werden müssen. Und dennoch dauert es meist nicht lange, bis auch an neuen Plätzen die Starts wegen Greifvogelalarm abgebrochen werden müssen. Glück im Unglück, wenn einer unserer Helfer den Falken rechtzeitig bemerkt und Alarm schlägt. Der weitaus schlimmere Fall endet wie oben beschrieben.

 

Warum gibt es so viele Falken in Frankfurt?

Seit Jahren werden Turm- und Wanderfalken von den Naturschutzverbänden gezielt im Stadtgebiet angesiedelt und somit artifiziell vermehrt. Da Falken im Stadtgebiet kaum natürliche Feinde haben, waren bislang die begrenzte Zahl von Nistmöglichkeiten sowie das Nahrungsangebot die einzigen Regulative für das Wachstum der Population. Die unreflektierte massenweise Schaffung von Nistplätzen setzt eins dieser Regulative außer Kraft. Neue Nahrungsresourcen, da Mäuse im Stadtgebiet allmählich zur Mangelware werden, erschließt sich die zunehmende Zahl von Turmfalken durch die Jagd auf Vögel. Insbesondere für Schwalben und Mauersegler ist diese Entwicklung fatal, da der Turmfalke bisher kein Feind für diese schnellfliegenden Arten war. Da Opfer von plötzlichen Falkenattacken selten überleben, gibt es kaum eine Möglichkeit, aus der veränderten Situation zu lernen. Der Wanderfalke ist als vogeljagender natürlicher Feind bekannt, indes wesentlich seltener als der inzwischen massenhaft vorkommende Turmfalke, der 2004 auch noch als "Vogel des Jahres" gehätschelt, gehegt und bedenkenlos weiter vermehrt wurde – ein verhängnisvolles Ergebnis einseitigen Vogelschutzes! Greifvögel tun lediglich das, worauf die Evolution sie programmiert hat. Durch ihre massenhafte Ansiedlung jedoch wird künstlich eine unnatürlich hohe Population und Nahrungsknappheit geschaffen. Unreflektierter Greifvogelschutz gefährdet das Leben vieler Mauersegler und Singvögel - und damit letztlich unsere Arbeit und die Arbeit vieler anderer Wildvogelschützer.

Buchenstraße 9
D-65933 Frankfurt

Tel.:+49(69)35 35 15 04
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