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Falkenalarm und Flower Power
Sonntag, 20. März 2016 06:04
Von: Dr. med. vet. Christiane Haupt
Die Nordseite des Montana de Tindaya.

Blick auf die Nordseite des Montana de Tindaya. Foto © C. Haupt

Grüne Täler & Hänge bei La Oliva

Der erste Flug unserer Mauersegler führt über begrünte Täler und Hänge nahe der Ortschaft La Oliva. Foto © C. Haupt

Tutus & Yolande

Zum letzten Mal schauen Tutus und Yolande durch die transparentenen Wände ihrer Box. Schon bald wird die ganze Welt ihnen zu Füßen liegen! Foto © C. Haupt

Ari

Ari, startbereit! Foto © C. Haupt

Franceso

Franceso hält nichts von Abschiedsfotos. Foto © C. Haupt

Justus

Justus' Laune bessert sich. Foto © C. Haupt

Battista

Battista, immer für eine Überraschung gut! Foto © C. Haupt

Basil verläßt Iona

Basil (rechts) muss leider nun seinen kleinen Freund Iona verlassen. Foto © C. Haupt

Marlyssa & Jiri Harlekin

Marlyssa die Amazone in typischer Pose. Von Jiri Harlekin, über den sie gerade hinwegwalzt, ist wenig zu sehen. Foto © C. Haupt

Felice & Tara

Felice und Tara (hinten). Foto © C. Haupt

Die sonnenbeschienenen Berghänge, in warmen Erdfarben leuchtend, sind diesmal gelbviolett überhaucht. Nach dem reichlichen Regen der letzten Wochen haben die Sonnenstrahlen ein Meer von Blüten aus dem kargen Boden gelockt. Wie immer offenbart sich die herbe Schönheit Fuerteventuras im Verborgenen und ganz gewiss nicht an den überfüllten Touristenstränden. Heerscharen von summenden Insekten, flinke Eidechsen im Prachtgewand und kleine Vögel tummeln sich in der Mittagssonne: eine Idylle!
Leider lockt der reich gedeckte Tisch auch ungebetene Besucher an. Als wir unseren Startplatz im Barranco erreichen, empfängt uns das gefürchtete „Gigigigiii …!!“.
Shit. Zwei Falken jagen genau über dem Hang, von dem aus unsere Mauersegler in die Freiheit starten sollten. Ohne große Worte wenden wir, ab die Post, hier ist heute kein Start möglich. Wir sind noch froh, dass die Greifvögel sich gleich gezeigt haben, anstatt uns später eine böse und blutige Überraschung zu bereiten.

Plan B tritt in Kraft, wir weichen auf einen anderen Startplatz aus. 13 ungeduldige Mauersegler haben wenig Verständnis dafür, dass sie in der Mittagshitze noch weiter durch die Gegend geschaukelt werden! Aber lange müssen sie auch nicht mehr warten. Andrea, Pancho und ich sind ein eingespieltes Team. Nach dem Ausladen geht es schnell. Pancho zur Linken in der Senke, Andrea zur Rechten auf einem Bergrücken. Ich in der Mitte im Hang. Kräftiger Wind von hinten, nicht ganz so günstig. Aber unsere Vögel sind gut, sie werden ihn meistern!

Heute hat Ostdeutschland die Pole Position: Ari aus Leipzig macht den Anfang - und gleich mal fast einen Bauchplatscher. Mir bleibt das Herz stehen, als der flitzige Jährling haarscharf über das Geröll rasiert, ehe er sich dann souverän in die Höhe schraubt. Sein nervöser Gefährte Francesco aus Jena ist der nächste. Bravo, keine Beanstandung! Hoch am Himmel holt er Ari ein. Dann der kleine, stets etwas grantige Justus aus Langenselbold. Von seiner üblichen schlechten Laune ist nichts mehr zu merken! Er fliegt wie ein Engel! Nichts anderes hab ich von unserem Überflieger erwartet!

Der vorwitzige Battista aus Darmstadt findet zuviele Superstarts offenbar langweilig. Pardautz, vom Wind mitgerissen plumpst er ins Gelände. Fluchend sprinte ich los und klaube ihn aus dem Ginster. Was soll das denn!? Gottlob hat er sich nicht verletzt. Zweiter Versuch! Unser aller ungeteilte Aufmerksamkeit ist ihm nun sicher. Erst recht, als ihn auch beim zweiten Absprung eine missgünstige Windböe erwischt und abermals im Hang notlanden lässt. Was um Gottes willen tust du!?, brülle ich konsterniert, während ich dem Bruchpiloten nachsetze, der gerade wieder munter die Flügel ausbreitet. Nichts da. Zurück in die Box, erstmal warten. Noch mehr Adrenalin, und ich kollabiere!

Den tobenden Genuesen Basil zu starten, mit seiner alten Flügelfraktur, ist allerdings auch sehr adrenalinträchtig. Aber Basil ist nicht mehr zu halten. Ich setze voll auf mein erprobtes Startteam und – los geht’s!! Basil schießt in den Wind, erst sehr niedrig, dann – sapperlot, ich hab ihn aus den Augen verloren!! Banges Warten …  Andrea und Pancho starren angestrengt nach Westen, ins Tal. Endlich – Entwarnung! Alles gutgegangen! Mir fallen zentnerschwere Steine vom Herzen. Basil ist frei!!

Marlyssa die Amazone ist die nächste, die ohne Probleme den Himmel erobert. Wie lange, wie wild hat sie um ihre Freiheit gekämpft! Ihr folgt Jiri Harlekin, flink und windschnittig. Jiri hoch am blauen Himmel zu sehen ist besonders bewegend, denn er fliegt für seinen verstorbenen Gefährten Harlekin mit, und als sein Bild vor meinen Augen verschwimmt, scheint es wirklich, als seien es zwei…
Danach, wagemutig, Battistas dritter Flug. Ich WEISS, dass er es kann, er war im Trainingszimmer einer der besten. Diesmal starte ich Battista gegen den Wind, und siehe da …  Blitzschnell schießt er davon, steigt und entschwindet schließlich vor dem Berggipfel. Hab ich's doch gesagt, dass er's kann!, informiere ich meine Mitstreiter triumphierend. Das dunkle Pünktchen im Himmelsblau gibt mir recht.

Nun - mit erheblichem Herzklopfen – Tutus aus Breslau, der mit seinen großen seelenvollen Augen, seinem Charme und seiner Zutraulichkeit selbst die sprödesten Fütterungshelfer dahinschmelzen ließ. Tutus ist dank seiner überragenden Flugkünste kurz nach der Schift-OP noch in letzter Minute zur Starttruppe gestoßen, eigentlich war er erst für den nächsten Flug vorgesehen. Wird er fliegen wollen, der mollige Bonvivant mit dem Faible für leckere Wachsmottenlarven und gemütliche Kuscheldecken? Ich komme nicht mehr dazu, ihn zu fragen. Tutus lässt das dekadente Wohlleben mit kraftvollen Flügelschlägen hinter sich, ohne einen Blick zurück, und stürmt in den Himmel empor wie ein abgeschossener Pfeil. Nach anderthalb Jahren in Menschenhand! Die perfekten Federn eines großen prachtvollen Altseglers tragen ihn nun in die Welt hinaus.
Yolande, die schöne melancholische Französin, seine Gefährtin, folgt ihm Sekunden später an den Himmel und trifft ihn in der Höhe. Auch sie war über ein Jahr bei uns!

Der schlanke, unruhige Felice aus Neu-Ulm und die rassige Tara aus Bobenheim, in der Klinik stets für einen Ausbruchsversuch gut, sind die nächsten. Beide überqueren den Bergrücken, über Andrea hinweg, und biegen ins dahinterliegende Tal ein. Dieselbe Richtung nimmt auch der pfiffige Shoubi aus Frankfurt, der uns stets mit seinen großen Kinderaugen bezaubert hat. Alle drei sehen wir zum letzten Mal knapp unterhalb eines hohen Berggipfels Richtung Nordwesten fliegen. Zuletzt kommt der kräftige selbstbewusste Floh aus Heilbronn an die Reihe. Sein Name stammt noch aus der Zeit, als er ein kleines, kurzes, zerfleddertes und bemitleidenswertes Federbällchen war, für das es keine Hoffnung zu geben schien. Daran erinnert nichts mehr, als Floh stark und sicher emporsteigt und als schwarzer Punkt vor dem blauweißen Gemälde von Meer und Himmel verschwindet.

Zurück bleiben drei restlos begeisterte Starthelfer, die leeren Boxen - und ein sehr amüsanter, aufregender Live-Mitschnitt des Starts auf einem Diktiergerät, das in meiner Hemdentasche steckte. Am nächsten Tag werde ich wieder hierherkommen und die unvergesslichen Eindrücke noch einmal auf mich einwirken lassen. Vielleicht sehe ich auch meine 13 Schützlinge nochmal wieder? Die Umgebung ist ideal für die Jagd und die wilden Spiele mit dem Wind …
Doch ich werde sie nicht wiedersehen. Sie sind abgezogen. Wohin? Die ganze Insel, die ganze Welt liegt ihnen nun zu Füßen. Wings all over the world! Lebt wohl!


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